Bild eines Wissenschaftlers - Porträt Alexander Navarrete Muñoz
Der Plasmabeschwörer
Gleißend hell zündet das Plasma und leuchtet wie eine fliederfarbene Flamme im Quarzglasrohr. Plasma – das ist der vierte Aggregatzustand: ein quasi-neutrales Gemisch aus Molekülen, Elektronen, Ionen, Radikalen und angeregten Spezies. Plasmen können durch eine elektrische Entladung in einem Gas erzeugt werden, wobei hochenergetische Elektronen auf andere im Gas vorhandene Spezies einschlagen und einen oft sehr reaktiven Cocktail erzeugen.
Dieser faszinierende Vorgang ist für Dr. Alexander Navarrete Muñoz quasi alltäglich. Am Institut für Mikroverfahrenstechnik (IMVT) des KIT erzeugt der Forscher in Zusammenarbeit mit dem Institut für gepulste Leistungs- und Mikrowellentechnik (IHM) im Labor mithilfe von Mikrowellen Plasmen in kompakten Reaktoren. Solche Plasmareaktoren lassen sich für unterschiedliche Anwendungen nutzen, beispielsweise zur Desinfektion, zur Förderung der Wundheilung, zur Materialoberflächenbehandlung und sogar zur Herstellung synthetischer Diamanten. Alexander Navarrete Muñoz aber setzt Mikrowellen-Plasmareaktoren ein, um das schädliche Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) in nützliche Chemikalien und Energieträger umzuwandeln.
Mikrowellen versetzen Stoffe in den vierten Aggregatzustand
„Grüne Technologien besitzen ein enormes Potenzial“, erklärt der gebürtige Kolumbianer. Lange vor dem Klimaabkommen von Paris begann sich der heute 45-jährige Alexander Navarrete Muñoz mit erneuerbaren Energien, mit chemisch-katalytischen Stoffumwandlungen und mit der Integration von beidem in innovativen Reaktorkonzepten zu befassen. Dazu gehören unter anderem die Mikrowellen-Plasmareaktoren. Sie erfordern keine seltenen katalytischen Materialien und arbeiten effizient – die Temperatur kann mit Impulsen im Nanosekundenbereich moduliert werden, steigt schnell an und fällt schnell ab. Im Plasma wird Kohlendioxid, wie es bei Verbrennungsprozessen in Kraftwerken, in der Zement-, Stahl- und Glasindustrie entsteht, in Kohlenmonoxid und Sauerstoff aufgespalten. Kohlenmonoxid lässt sich zu Grundstoffen für die chemische Industrie verarbeiten; zusammen mit Wasserstoff lässt es sich als Synthesegas verwenden. Dieses wiederum kann in verschiedenen chemischen Synthesen eingesetzt werden sowie als Kraftstoff dienen. Darüber hinaus eröffnet Synthesegas neue Möglichkeiten, Energie aus fluktuierenden regenerativen Quellen wie Sonne oder Wind zu speichern.
Im Labor testet Navarrete Muñoz mit seinem Team verschiedene Bauformen von Mikrowellen-Plasmareaktoren mit Kombinationen aus Kohlendioxid, Wasser, Argon oder Stickstoff, außerdem wird die Umwandlung von Methan in nützliche Verbindungen erforscht. Als besonders effizient haben sich Reaktoren mit ultraschnell gepulsten Mikrowellen erwiesen.
Überdies arbeitet Navarrete Muñoz an einem katalytischen Reaktor, in dem das Mikrowellen-Plasma bei atmosphärischem Druck direkt mit einem Katalysator in Kontakt kommt. Ein Patent wurde angemeldet, und ein erster Prototyp wird getestet.
Chemieingenieur verfolgt Vision „fossil zu erneuerbar“
Mit diesen und weiteren Arbeiten trägt der Chemieingenieur dazu bei, den Kohlenstoffkreislauf zu schließen – ausgestoßenes Kohlendioxid wird bei der Herstellung von Kunststoffen, Brennstoffen und Treibstoffen wiederum eingebunden. Seine Vision „fossil zu erneuerbar“ entfaltete er bereits während seines Studiums an der Universidad Nacional de Colombia, seiner Promotion an der Universidad de Valladolid (Spanien) und als Postdoc an der TU Delft (Niederlande). Während seiner Forschungstätigkeit entwickelte er neuartige Verfahren zur Energiespeicherung und zur Verwertung von CO2 und Restbiomasse. 2017 kam Dr. Alexander Navarrete Muñoz nach Karlsruhe. Als Radfahrer ist er erfreut über das viele Grün in der Stadt. Als Forscher ist er begeistert über die Hightech-Infrastruktur am KIT, die gebündelte Expertise und die Freiheit, seine Ideen zu verwirklichen. „Ich bin ja Naturwissenschaftler durch und durch. Was ich auch sehe – ich überlege immer, wie es funktioniert und wie es noch besser funktionieren könnte.“
Text: Dr. Sibylle Orgeldinger