Bild eines Wissenschaftlers - Porträt Gan Huang
Der Sonnenfänger
„Sauber, reichlich verfügbar und überall auf der Welt nutzbar – die Sonne liefert vieltausendfach mehr Energie, als die Menschheit benötigt“, sagt Dr. Gan Huang. Dass Solarenergie ein enormes Potenzial für eine klimaneutrale Zukunft birgt, erkannte der in China geborene Wissenschaftler schon früh in seiner internationalen Karriere, die ihn von Peking über Oxford und London, mit Zwischenstationen in den USA und in Japan, nach Karlsruhe brachte. Er arbeitet konsequent an technischen Lösungen, um die von der Sonne auf die Erde geschickte Energie intelligent einzufangen und effizient zu nutzen: zur Stromversorgung, zum Heizen und zum Kühlen.
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) forscht Dr. Gan Huang in der Abteilung „Nanophotonics for Energy“ (N4E) im Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT). Seit 2022 leitet er eine Nachwuchsgruppe und nimmt am Young Investigator Group Preparation Program (YIG Prep Pro) des KIT teil. Dieser Gruppe gehören insgesamt elf junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus sechs Ländern an. Sie kommen aus verschiedenen technischen und naturwissenschaftlichen Fächern, von Maschinenbau über Materialwissenschaft bis hin zu Optik und Photonik, und arbeiten hochgradig interdisziplinär.
Photovoltaik mag es kalt – Solarthermie mag es heiß
Sonnenlicht in Spektralfarben aufspalten, Hybridmodule zur Versorgung mit Strom und Wärme entwickeln, Wärmestrahlung in den Weltraum schicken – das sind zentrale Strategien, die Huang mit seiner YIG Prep Pro Gruppe verfolgt, um für Solaranlagen verfügbare Flächen bestmöglich zu nutzen und höchstmögliche Wirkungsgrade zu erreichen. Er verbindet Photovoltaik und Solarthermie, das heißt die Umwandlung der Solarenergie in elektrische Energie und in thermische Energie, und ergänzt sie um Strahlungskühlung.
Der Wirkungsgrad der Photovoltaik ist physikalisch begrenzt: Theoretisch lassen sich mit einfachen Solarmodulen rund 30 Prozent des einfallenden Lichts in Strom umwandeln, praktisch liegt die Grenze für die derzeit am häufigsten eingesetzten Siliziummodule bei ca. 23 Prozent. Das heißt, die Solarenergie entweicht zu mehr als 70 Prozent ungenutzt als Wärme. Dazu kommt, dass der Wirkungsgrad der Photovoltaik sinkt, wenn die Temperatur steigt – und das geschieht gerade zur besten Einspeisezeit am Mittag und Nachmittag. Die Solarthermie hingegen verlangt hohe Temperaturen, um Wärme in einem Trägermedium zu sammeln. Eine komplizierte Situation.
Hybridmodule liefern Strom und Wärme gleichzeitig
Dr. Gan Huang hat einen Weg gefunden, scheinbar Unvereinbares miteinander zu verbinden: Er spaltet die einfallende Sonnenstrahlung in zwei Spektralbereiche auf. Derjenige Bereich, den die Photovoltaik verwerten kann, geht in ein semitransparentes Perowskit-Solarmodul, das Strom sowie Niedrigtemperaturwärme für Heizung und Warmwasser liefert. Die übrige Sonnenstrahlung, besonders der Nahinfrarotbereich, wandert weiter in einen darunterliegenden solarthermischen Absorber, der Hochtemperaturwärme bereitstellt. Diese lässt sich unter anderem für industrielle Prozesse und andere Hochtemperaturanwendungen. Das als „spectral splitting hybrid photovoltaic-thermal (SSPVT) collectors“ bezeichnete Modul zeichnen sich durch einen relativ einfachen Aufbau aus. Das Konzept erfordert keinen zusätzlichen optischen Filter und beeinträchtigt die Effizienz der Photovoltaik nicht. Im Labor hat Huang das SSPVT Modul unter einem Solarsimulator getestet: Es kann Wärme von über 100 Grad Celsius erzeugen, während die photovoltaischen Zellen bei einer Temperatur unter 50 Grad Celsius bleiben. SSPVT hat das Potenzial, 18 Prozent Strom, 38 Prozent Niedrigtemperaturwärme und 24 Prozent Hochtemperaturwärme zu liefern.
Winzige Pyramiden schicken Wärme ins Weltall
Doch damit nicht genug: Dr. Gan Huang hat mit seiner Gruppe ein Metamaterial zur Strahlungskühlung entwickelt – ohne Einsatz von Elektrizität und ohne Emission von Treibhausgasen. Das Prinzip der Strahlungskühlung lässt sich im Alltag erleben, besonders im Herbst: „Wenn ein Auto nachts unter freiem Himmel steht, können die Scheiben vereisen, auch wenn die Temperatur über dem Gefrierpunkt liegt“, erklärt der Forscher. „Die Scheiben tauschen ihre Temperatur mit dem Nachthimmel aus.“ Strahlungskühlung heißt also, Wärme durch die Atmosphäre ins Weltall zu schicken. Die Atmosphäre ist allerdings nur in einem bestimmten Bereich des Spektrums für Wärmestrahlung durchlässig – dieses Fenster gilt es zu treffen.
Das von Dr. Gan Huang entwickelte, kostengünstig aus einem Polymer hergestellte Metamaterial weist eine Pyramidenstruktur auf, lässt Sonnenlicht durch und schickt Wärme im Bereich zwischen acht und 13 Mikrometern Wellenlänge ins All. „Bei der Entwicklung haben wir uns an einem Vorbild in der Natur orientiert“, verrät der Wissenschaftler. „Die in der Sahara lebende Silberameise weist eine Behaarung auf, die Licht reflektiert und Wärme abgibt. So kann die Ameise bei extrem hohen Temperaturen überleben.“ Test am IMT des KIT haben ergeben, dass sich dieser Effekt am besten durch ein Metamaterial mit weniger als zehn Mikrometer kleinen Pyramiden nachahmen lässt. Die Polymerfolie eignet sich zum Aufbringen auf Gebäude- und Fahrzeugdächern. Überdies kombiniert Huang die als „passive daytime radiative cooling“ (PDRC) bezeichnete Technologie synergetisch mit den beschriebenen Hybridsolarmodulen, um die Energien der heißen Sonne und des kalten Weltalls zusammen zu nutzen und Strom, Wärme und Kälte gleichzeitig bereitzustellen.
Forscher schätzt Interdisziplinarität und Internationalität am KIT
Derart komplexe Lösungen zu entwickeln, verlangt einen breiten Forschungshintergrund: Gan Huang promovierte an der renommierten Tsinghua University in Peking in Maschinenbau. Anschließend forschte er an der University of Oxford. Am Imperial College London, wo er im Clean Energy Processes Laboratory tätig war, begann er sich mit Solarenergie zu befassen. Er hat in wichtigen wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert und mehrere Auszeichnungen erhalten. Am KIT, wo er zusammen Professor Bryce S. Richards auch eine Vorlesung über Solartechnologien hält, schätzt er die Interdisziplinarität und Internationalität. Dr. Gan Huang lebt mit seiner jungen Familie im Zentrum von Karlsruhe. „Ich mag die Stadt – sie bietet eine Atmosphäre, in der ich mich auf meine Forschung konzentrieren kann.“
Text: Dr. Sibylle Orgeldinger